Umschlagtext

Sie ist wie ein Stück Heimat mitten im Häuserdickicht von Manhattan: die Brooklyn Bridge.
Was der normale New Yorker kaum wahrnimmt, ist für den interessierten Thüringer nicht zu übersehen: Eines der ältesten Wahrzeichen der Stadt hat seine Fundamente im Tausende Kilometer entfernten Mühlhausen. Auch wenn der für seine Zeit atemberaubend kühne Bau dem von der Unstrut zugewanderten Erbauer Johannes August Röbling persönlich kein Glück brachte – er starb noch vor der Vollendung der Konstruktion – die Brücke bleibt ein sichtbares Zeugnis einer Region, aus der manch wichtiger wirtschaftlicher Impuls stammt. Der wirkt auch heute noch weit über die Ländergrenzen hinaus.


Das trifft auf Ingenieurleistungen ebenso zu wie auf den Bergbau, die Medizin oder die Wissenschaften.

Und wenn schon der Neandertaler nicht direkt im Eichsfeld gefunden wurde, so stammt doch zumindest sein Entdecker, Prof. Dr. Johann Carl Fuhlrott, von dort.
Mag sein, dass die ganz großen Investoren den Raum heute noch für sich erschließen müssen, fest steht, ohne Unstrut-Hainich-Kreis und ohne Eichsfeld wäre Thüringen sehr viel ärmer.

Um Geschichte, Kreativität und Lebensfreude.

 

Sergej Lochthofen
Chefredakteur "Thüringer Allgemeine"

Ofenkrieg in Erfurt

Selbst Goethe kaufte Kakteen-Schönheiten bei Friedrich Adolph Haage junior

Der Name Haage ist seit Jahrhunderten mit dem Erfurter Gartenbau verknüpft. Er verbindet sich mit der einst bedeutenden Brunnenkressekultur im Dreibrunnengebiet, aber auch mit Gemüsesamen- und Pflanzenzucht. Eine Spezialität im Zierpflanzenbereich machte die Firma Friedrich Adolph Haage junior berühmt: die Kakteen. 1822 gründete Friedrich Adolph Haage seine Gärtnerei und Samenhandlung. Zuerst fand sie ihren Platz auf einem kleinen Pachtgrundstück, das früher Christian Reichart gehörte. Erschwert wurde der Start in die Selbstständigkeit durch die Vernichtung der Kulturen durch Hagelschlag. Doch Adolph Haage erholte sich wirtschaftlich rasch davon und konnte bald seine Gärtnerei erweitern. Friedrich Adolph Haage junior züchtete zunächst allerdings Levkojen, Nelken, Goldlack, Astern, Rosen und andere Florblumen. Doch bald machte Haage aus seinem Hobby ein Geschäft. Schon sehr früh erweiterte er das Sortiment um Kakteen. Er sammelte und züchtete die stachligen Schönheiten so intensiv und mit viel kunstfertigem Können, dass er nach 13 Jahren über die drittgrößte Sammlung in ganz Deutschland verfügte. Haage wurde zu einem der besten Kenner der Kakteenkulturen. So verwundert es kaum, dass berühmte Persönlichkeiten und Naturwissenschaftler der damaligen Zeit bei ihm einkehrten und seine Sammlungen bestaunten: Alexander von Humboldt, der Weimarer Herzog Karl August, Franz Liszt und natürlich Johann Wolfgang von Goethe bestellten bei Kakteen-Haage die exotischen Stachligen. Der große Dichter orderte ausgewählte Kakteen für die Dame seines Herzens. Eine Pflanze sogar zweimal, da der schönen Verehrten der erste Kaktus eingegangen war. 

Die Firma Haage lag sogar kurze Zeit mit Erfurts Militär im Zwist, im „Ofenkrieg“. Haages Feldarbeiter, die permanent unter frostklammen Händen litten, konnten sich in einem schlichten Gärtnerhäuschen an einem gusseisernen Ofen aufwärmen. Als sie an einem Tag zum Virur (Vier-Uhr Nachmittagskaffee) beisammen saßen, kam ein Unteroffizier herein und befahl, den Ofen zu löschen. Seine Exzellenz Herr Rittmeister von Meske glaubte wohl, man würde mit dem Ofen Rauchzeichen geben, um eventuellen Feinden einen Angriff zu erleichtern. Denn die preußische Armee hatte 1870, kurz vor dem Krieg mit Frankreich, Angst vor Spionen. Trotz mehrerer Aufklärungsversuche blieb das Heizen verboten. Erst 1871 nach dem Sieg über Frankreich und der Herstellung der deutschen Einheit konnte Haage wieder Feuer machen zur Freude seiner frierenden Arbeiter.

Hutschachtel und Höhenruder

Start als Papiermühle: Die Kofferfabrik in Kindelbrück exportierte bis Afrika

Kindelbrück liegt nordwestlich von Sömmerda und hatte am Anfang mit Koffern überhaupt nichts zu tun. Eine Papiermühle im 18. Jahrhundert, aus der später eine Papierfabrik entstand, war im Ort zu finden. Die Sangerhäuser Schuhfabrik Baumann & Neufeld kaufte 1888 das Grundstück samt Gebäude. Die Schuhfabrikanten errichteten einen Nebenbetrieb, allerdings musste die Produktion schon 1903 wieder eingestellt werden. Schließlich erwarb die Stadt Kindelbrück 1908 das Gelände, um dort ein Elektrizitätswerk zu errichten.

In Nachbarschaft des E-Werkes siedelte sich um 1911 eine Kofferfabrik an. Der Unternehmer Erich Wiedemann aus Magdeburg hatte die gesamte Anlage gepachtet und begann mit fünf Arbeitern, Koffer aus Pappe und Vulkanfiber sowie Hutschachteln herzustellen. Das Geschäft ging gut, so dass er bald neue Arbeiter einstellte. Im Juni 1914 übernahm Robert Haessler den Wiedemannschen Pachtvertrag und nannte 1916 das Unternehmen Kofferfabrik Kindelbrück Robert Haessler GmbH. Die Produktion entwickelte sich sprunghaft. Im Jahr 1920 soll die Kofferfabrik bereits 150 Beschäftigte gehabt haben. Zwei Jahre später wurden bereits 180 Arbeitskräfte beschäftigt, 1926 waren es schließlich 200. Der Inhaber Robert Haessler starb 1937.

Als sich im Folgejahr ein schweres Brandunglück ereignete, hatten die Besitzer Glück im Unglück: Die Eigentümer erhielten von der Versicherung eine Brandentschädigung. Die Kofferfabrik wurde also wieder aufgebaut. Die Kofferproduktion musste jedoch weichen, ab 1940 wurde für den Krieg produziert. Die Belegschaft reparierte beschädigte Flugzeugteile wie etwa Höhenruder oder Leitwerke.

Am 5. April 1945 stellte die Kofferfabrik ihre Produktion ein. Nachdem am 2. Juli die Besatzungsmächte wechselten, bemühte man sich, die Fertigung wieder in Gang zu bringen. Wenige Wochen später produzierte das Werk wieder. Doch die Zeit diktierte die Produkte: Gürtel, Taschen und Holzschuhe. Die Kofferproduktion machte nur einen geringen Teil aus. Bei einer Betriebsprüfung am 19. Oktober 1948 stellte man Veruntreuung fest und hatte damit einen Grund zur Enteignung der Firma Haessler.

Die Überführung in das Volkseigentum vollzog sich im Jahr 1952. Das Unternehmen hieß von nun an VEB Kofferfabrik Kindelbrück. Mit ersten erfolgreichen Vertragsabschlüssen nahm man an der Leipziger Herbstmesse teil und exportierte bereits ein Jahr später Reisegepäck nach Island und Bulgarien. Die Koffer aus Kindelbrück entwickelten sich zu einem beachtlichen Exportgut der DDR. 1955 waren Belgien, Polen, Sowjetunion, Afrika, Holland und Schweden Lieferziele.

Thüringer Dampfrösser

Erfurt galt lange Zeit als ein Standort für den Bau von Lokomotiven

Die Krone des Maschinenbaus, so wurde der Bau von Lokomotiven in der Ära der Industrialisierung genannt. Auch Erfurt konnte sich dieser technischen Kunst rühmen. Exakt 1252 stählerne Dampfrösser wurden bis 1928 hier gebaut! Die über 1000 Lokomotiven stellten Erfurter Schmiede, Schlosser, Schweißer und Mechaniker in einem Zeitraum von ungefähr 45 Jahren her. Gebaut hatte sie in den Jahren 1873 bis 1915 die Lokomotivfabrik Hagans und dann bis 1928 die Abteilung Lokomotivfabrik Hagans der R.-Wolf-AG Magdeburg/Buckau.

Christian Hagans, der Lokomotivbauer aus Erfurt, gründete sein Unternehmen schon im Jahre 1857. Hagans hatte bis 1867 seine Werkstätten so ausgebaut, dass ein umfangreiches Produktionsprogramm umgesetzt werden konnte. Im Bereich Blechschlosserei reparierte Hagans anfangs nur drucklose Behälter. An Lokomotiven war noch nicht zu denken. Später baute die Firma Druckbehälter, dann stationäre Lokomobile und solche auf Rädern. Schließlich produzierte Hagans für den Eisenbahnbedarf Gleisjoche, Drehscheiben und Kipploren, später Achslager, Bremsklötze und mehr. Auch Ersatzteile für Lokomotiven wie Pleuel- und Kuppelstangen wurden hergestellt. 

Von da an war es nur noch ein kleiner Schritt bis zur eigenen Lokomotive! Hagans baute die Gelbgießerei aus, kaufte Blechbearbeitungsmaschinen und qualifizierte seine Mitarbeiter. Wichtig waren gute Kesselschmiede. Im November 1872 war es dann so weit: Die erste Erfurter Lokomotive, eine B-Tender-Lok, verließ die Fabrik. Das war ein Spektakel für die ganze Stadt. Denn die Fabrik in der Kartäuserstraße hatte keinen Gleisanschluss.
Pferde zogen das stählerne Ungetüm auf einem Tieflader durch die engen Gassen zu den Gleisen, begleitet von hunderten Schaulustigen. Die Thüringer Produktionsstätte war eine von insgesamt sechzehn in ganz Deutschland. In Erfurt wurden vor allem kleinere Modellgrößen montiert, die für den Einsatz als Bau-, Industrie- und Kleinbahn konzipiert waren. 

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges sahen die Brüder Otto und Friedrich Hagans keine Möglichkeit mehr, die Position der Firma zu halten. So entschlossen sie sich, die Fabrik an die R.-Wolf-AG aus Magdeburg-Buckau zu verkaufen. Damit endete zwar die Ära Hagans. Aber die Firma und der Name blieben noch mehr als ein Jahrzehnt erhalten. 1920 wurde die 1000. Lok gebaut: eine P 8. Bis zum Jahre 1928 fertigte man in der Erfurter Fabrik noch Lokomotiven. Doch gegen Ende der 20er-Jahre gingen die Aufträge aus, die gesamte Branche steckte in der Krise. Die R.-Wolf-AG schloss schließlich ihre Erfurter Abteilung.

Vom Kaufmann zum Fabrikanten

Lingel-Schuhe aus Erfurt überzeugten um die Jahrhundertwende weltweit

Der schöne Industrie-Fachwerkbau steht heute noch an der Erfurter Ausfahrtstraße in Richtung Arnstadt. Die Frage ist, wie lange noch. 1872 kam der Kaufmann Eduard Lingel (geboren 1848) aus Königsberg in Franken nach Erfurt, um hier ein eigenes Geschäft zu eröffnen.

Chroniken berichten, dass Lingel schon von Beginn an die Fabrikation von Schuhen betrieb. Er fing wie fast alle Großen klein an: In seinem Wohnhaus zum Krummen Hecht am Fischersand 9 begann er in vier Mini-Produktionsräumen mit gerade mal 5 Arbeitern. Bescheiden auch die Maschinen-Ausstattung beim Start: eine Doppelstanze und eine Durchnähmaschine. Rund 50 Heimarbeiter waren in den Herstellungsprozess einbezogen, ganze 36 Paar Stiefel schaffte man damals täglich.

1874 kaufte Eduard Lingel das Haus am Herrmannsplatz 5 und erweiterte seinen Werkstattbetrieb. Die Fabrik wuchs, Lingel gab im Jahr 1875 rund 300 Mitarbeitern (einschließlich Heimarbeitern) Beschäftigung. Schon 1876 folgte eine weitere Vergrößerung. Die Wende von der Handarbeit zur mechanischen Schuhfabrikation begann 1877/78. Lingel orientierte sich an amerikanischem Vorbild. Er sandte dazu eigens eine Delegation von Fachleuten nach Amerika, die sich die dortigen modernsten Fertigungstechniken anschauen sollten, um sie später in Thüringen nachzunutzen. 1886 stellten 600 Arbeiter alle Sorten von Schuhen her. Der Lingelsche Verkaufsschlager zu jener Zeit war der Schnürstiefel mit hohem, geschweiftem Schaft und zum Knöpfen. Ein schwerer Schicksalsschlag traf die Firma in der Nacht vom 7. zum 8. Juni 1887. Die gesamten Anlagen am Herrmannsplatz wurden durch ein verheerendes Feuer zerstört. Die Firmenleitung entschied, eine neue Fabrikanlage zu erbauen. Die Wahl fiel auf ein ehemaliges Gärtnereigrundstück am Steiger. Nach langwierigen Verhandlungen mit der Stadt Erfurt konnte der Grund gekauft und schon nach kurzer Zeit mit der Produktion auf dem neuen Gelände in der damaligen Landgrafenstraße begonnen werden.

1898 wurde die Eduard-Lingel-Schuhfabrik in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Bis 1892 arbeiteten 1000 Leute für die Schuhfabrik mit einer Wochenleistung von insgesamt 12000 Paar Stiefel und Schuhen. Den Vorstand bildeten in dieser Zeit die Gebrüder Dreßler, den Vorstandsvorsitz übte Eduard Lingel aus. Um die Jahrhundertwende ging die Lingel-AG dazu über, feinere Schuhwaren und wenig später sogar Spezialschuhe herzustellen, die auch exportiert wurden. Um die Jahrhundertwende war die Belegschaft auf 1300 Beschäftigte angewachsen.

Scheren für Australien

Riesige Pressen: Maschinenfabrik Henry Pels & Co.

Ein Kompliment aus Frankreich: „... Unsere Schere R.T. 30 hat uns während 30 Jahren zu unserer vollständigen Zufriedenheit gedient. Die Maschine ist in sehr gutem Zustand und funktioniert heute noch prima. Außerdem sind wir noch im Besitz von zwei Handmaschinen, eine davon, Modell H 30, 1918 von Ihnen geliefert.“

Diese Zeilen, 1960 von Etablissements C. Boeckel aus Strassburg an den VEB Pressen- und Scherenbau Erfurt geschrieben, zeugen von der enormen Qualität und Robustheit der Pels-Erzeugnisse. Diese Marke wurde zum Teil bis in die 50er-Jahre verwendet und geht auf den Gründer der Firma Berlin Erfurter Maschinenfabrik Henry Pels & Co. – heute Umformtechnik Erfurt – zurück. Für ältere Erfurter ein Begriff wie immer noch Braugold oder Bornsenf.

Henry Pels wurde am 6. Juni 1865 in Hamburg als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. 1893 gründete er seine erste Firma, das Handelsunternehmen Henry Pels & Co. Hamburg. Neun Jahre später war die Geburtsstunde der Berlin-Erfurter Maschinenfabrik Henry Pels & Co., kurz BEM. Die BEM hatte bis 1920 durch ihre Patente über Stahlniet-Konstruktionen und die Stahlplattenbauweise ihrer Umformmaschinen einen enormen Wettbewerbsvorteil. Bis zum Ersten Weltkrieg produzierte die Fabrik im Erfurter Norden Scheren, Lochstanzen und kombinierte Maschinen. Das Vertriebsnetz war inzwischen gut ausgebaut, man verfügte über sieben Filialen im In- und Ausland. 15 europäische Länder sowie Afrika, Amerika, Australien und Asien wurden beliefert. Über 90 Prozent der Produkte gingen in den Export. Nach dem Krieg wuchsen Werk und Belegschaft, nicht zuletzt verdankte der Betrieb seine lang anhaltende Stabilität den sogenannten „Russenaufträgen“. Das Werk stellte sich in dieser Zeit auf Pressen für den Automobil-Karosseriebau um.

Ab 1940 beteiligte sich auch die Erfurter Fabrik an der Kriegsproduktion. Da war das Werk längst „arisiert“, bald der Name des jüdischen Gründers verschwunden. Das Unternehmen überstand den Krieg, lieferte dann Erzeugnisse als Reparationen an die UdSSR. Ab 1954 war der Betrieb Volkseigentum als VEB Pressen- und Scherenbau Henry Pels. Mehrere Betriebe gliederte man dem Unternehmen an, 1970 entstand daraus der VEB Kombinat Umformtechnik Erfurt. Im Juli 1990 wurde das Kombinat aufgelöst und in Erfurt gründete man mit Treuhandhilfe die Umformtechnik GmbH. 1994 erfolgte die Privatisierung des Unternehmens. Die Geschäfte stabilisierten sich wieder und Erfurter Maschinen werden in der deutschen Automobilindustrie, aber auch in Russland, China oder Brasilien eingesetzt.

 

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Vom Karabiner zur Schreibmaschine

Vom Karabiner zur Schreibmaschine: Die Optima-Fabriken

Der Name Optima hat einen guten Klang in Erfurt, vor allem wegen der Schreibmaschinen. Dass die Firma vorher Olympia hieß und zu Beginn Gewehre produzierte, wissen nur wenige.

1862 verlegte man aus strategischen Gründen die Gewehrfabrik aus Saarn bei Mühlheim an der Ruhr in das befestigte Erfurt. Die neue Königlich-Preußische Gewehrfabrik Erfurt entwickelte sich rasch zum größten Arbeitgeber und beschäftigte 1866 schon 420 Mitarbeiter. Doch nach dem Ersten Weltkrieg erzwang der Versailler Vertrag die Einstellung der Gewehrproduktion und die Vernichtung aller noch vorhandenen Gewehre.

So suchten die Besitzer – die Deutsche Werke AG – ein neues Geschäftsfeld. Durch den Zusammenschluss mit der AEG startete in Erfurt schließlich die Produktion von Schreibmaschinen. Ab 1924 wurde die Mignon, eine Zeigerschreibmaschine, hergestellt. Es folgten Klaviaturschreibmaschinenmodelle, Buchungsmaschinen und sogar Büromöbel. Anfang der 30er-Jahre begann die erfolgreiche Produktion von Kleinschreibmaschinen wie der Filia, der Elite oder der Progreß. Das 1930er-Modell 7 „Olympia“ verlieh dem Werk schließlich 1936 den Namen „Olympia-Büromaschinenwerk-AG Erfurt“.

Das Erfurter Olympia-Werk wurde 1945 enteignet. Einen Namens-Rechtsstreit mit dem Olympia-Werk in Wilhelmshaven verloren die Erfurter. Optima war geboren.

 

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Umschlagtext

Als kleiner Junge hatte ich ein Briefmarkenalbum. Besonders wertvolle Stücke waren nicht dabei, aber darum ging es auch nicht. Hauptsache die Marken waren interessant. Ein Satz aus Monaco (oder war es vielleicht doch San Marino?) sorgte für besondere Aufmerksamkeit: Die bunten Marken zeigten alte Flugzeuge und eine Karte, auf der man die Herkunft der Maschinen erkennen konnte. Und da stand Gotha. Das war sehr verwunderlich. Straßenbahnen, ja die kamen aus Gotha, das wusste jeder. Die konnte man in Erfurt oder Leipzig fahren sehen. Auch die Waggons. Aber Flugzeuge? Erst Jahre später, nach der Lektüre eines Buches, löste sich das Rätsel auf. Den urigen Doppeldeckern der ersten Jahre, wie sie auf den Briefmarken zu sehen waren, folgten Messerschmidt-Zerstörer im Zweiten Weltkrieg. Kein Wunder, dass nach 1945 damit Schluss war. Die Flugzeugproduktion wurde zum Teil der vergessenen Geschichte, die es neu zu entdecken gilt.


Burgen, Schlösser, die eine alte Kulturlandschaft prägenden Kirchturmspitzen - all das ist Thüringen. Aber auch Uhren aus Ruhla oder der einmal heiß begehrte Wartburg aus Eisenach gehören dazu. Die kannte im Osten praktisch jeder. Wie den Multicar aus Waltershausen. Noch heute, irgendwo in der Welt, vielleicht in St. Petersburg, London oder in Stockholm, freut es einen, wenn so ein vielseitiges Gefährt um die Ecke biegt. Es ist ein Gruß von zu Hause und es ist ein Stück Thüringen.


 

Sergej Lochthofen
Chefredakteur "Thüringer Allgemeine"

Welt der Karten und Atlanten

Faszination Landkarte. Schon bei den ersten Weltumseglungen starrten Kapitäne und ihre Offiziere auf die ausgerollten Schiffskarten. Viele davon mit weißen Flecken und geografischem Niemandsland. Mit den Jahrhunderten der Entdeckungen wurden die detailreichen Zeichnungen immer präziser und professioneller. Ein Name steht in Thüringen für die Kunst der Karten und deren Vermarktung: Justus Perthes. Der Grundstein dafür wurde im 18. Jahrhundert gelegt. Seitdem trug eine ganze Familien-Dynastie die Geschäftsidee bis in das 21. Jahrhundert. Die Stadt der Karten-Macher war und ist Gotha. Zwar wurde der historisch gewachsenen Verbindung des Namens Perthes an die Stadt Gotha in der DDR-Zeit ein Riegel vorgeschoben. Die Kontinuität des kartografischen Schaffens der Gothaer Anstalt schaffte es aber über alle politischen und wirtschaftlichen Krisen, auch nach der Wende an die einstigen Erfolge anzuknüpfen. 

1785 begründete der aus Rudolstadt stammende Justus Perthes (1749-1816) in Gotha seinen eigenen Verlag. Dabei hatte sein Schaffen in der damaligen Residenzstadt bereits 1778 begonnen. Justus Perthes beteiligte sich nämlich zu 25 Prozent an der Handlungs-Societät des Gothaer Verlagsbuchhändlers Carl Wilhelm Ettinger. Die Hofbuchhandlung Ettinger verlegte verschiedene Zeitschriften und den Hofkalender. Neben Perthes gehörte auch Johann Friedrich Dürfeldt zu ebenfalls 25 Prozent zu dieser auf vorerst zehn Jahre befristeten Unternehmung. Durch die Heirat von Justus Perthes und Sabine Ernestine Dürfeldt im Jahre 1784 vereinigte Perthes die Anteile des ehemaligen Partners auf sich. Rein rechnerisch stand Perthes nun mit Ettinger auf gleicher Stufe. Schon ein Jahr später trennten sich die Teilhaber. Ein Vertrag regelte die Geschäftsfelder. Justus Perthes erhielt den Verlag des schon 1763 begonnenen Almanach de Gotha sowie seines deutschen Gegenstücks, des Gothaischen Hofkalenders. Dieser Vertrag war die Gründungsurkunde des neuen Verlags von Perthes.

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Multicar: Erster Firmensitz im Dorfkrug

Das gab es in Thüringen selten: der Dorfkrug als Firmensitz. Historisch belegt ist, dass die Maschinenfabrik Hörselgau ihre ersten Geschäftsräume im Saal eines Dorfwirtshauses hatte. Allerdings waren es keine bierseligen Ideen, die hier bei einem kühlen Blonden in die Tat umgesetzt wurden. Der in Ravensburg geborene Ingenieur Arthur Ade (1882 bis 1957) gründete im Gasthof Deutscher Hof in Hörselgau nahe Waltershausen am 2. August 1920 seine Fabrik. Ihm zur Seite stand der Kaufmann Irrgang, der wie Ade aus der Metallbranche kam.

Unternehmensgegenstand waren landwirtschaftliche Geräte und Traktoren. Doch alles kam ganz anders: Da die Gemeinde Hörselgau nicht die notwendigen räumlichen Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten hatte, reagierte die Stadt Waltershausen und drängelte sich mit einem besseren Angebot vor. Die Firma von Ade & Irrgang zog daraufhin 1924 dorthin um. Ein Bürogebäude und eine Werkhalle direkt an der Bahnlinie – ideale Bedingungen für das Ade-Werk! 

Das Unternehmen begann mit 75 Mitarbeitern, erhöhte schnell auf 125. Gleich zu Beginn – es war Nachkriegs- und Inflationszeit – gab es manchen Rückschlag. Nach dem Ersten Weltkrieg zählten Stahlbänder für Vollgummireifen für Pkw und Lkw zu den Hauptprodukten. Doch die Zeit dieser Reifen war bald vorbei. Mitte der 20er-Jahre stellten viele Produzenten ihre Fahrzeuge auf Luftbereifung um. Mit einem Schlage wurden die in Waltershausen gefertigten Stahlbänder nicht mehr benötigt! Doch Ade war ein patenter Ingenieur im wahrsten Sinne des Wortes.

Zwei seiner Neukonstruktionen brachten sein Werk wieder in eine Spitzenposition. Ade hatte den Lastwagenanhänger mit Kippvorrichtung (1927) und eine Patentkupplung zum Anhängen von Fahrzeugen (1928) entwickelt und sofort in seine Produktion aufgenommen. Für den Anhängerbau entstand schon 1927 eine neue Werkhalle. Denn die Ade-Zweiseiten-Wiegenkipp-Anhänger fanden eine Vielzahl von Käufern.

Im Takt der Zeit: Uhren aus Ruhla

Wir schreiben das Jahr 1862. In der Stadt Ruhla gingen zwei Brüder emsig daran, ein Unternehmen zu erschaffen, das bald ihren Namen in die ganze Welt tragen würde. Es waren Christian und Georg Thiel. Bisher bot die Pfeifenindustrie vielen Metallverarbeitern lohnenswerte Arbeit. Beschläge für die Pfeifenprodukte waren deshalb der Ausgangspunkt ihrer Unternehmung. Bald kamen andere kleinere Metallwaren hinzu, so genannte Massenartikel. Das waren Schutzgehäuse für Taschenuhren, Gewichtshülsen aus Messing, Schaufensterhaken sowie Absatzschoner und Stoßkappen für Schuhe. Georg Thiel schied zwar bald aus dem Unternehmen aus, dafür traten die jüngeren Brüder Ernst und Reinhold Thiel ein. Man blieb ganz in Familie. 

1873 erwarb die Firma ein größeres Gelände in der Nähe des Ruhlaer Bahnhofes, direkt an der Hauptverkehrsstraße des Ortes gelegen. Schon zwei Jahre später gingen die Unternehmer daran, ein Messingwerk zu errichten. Die Thiel-Brüder produzierten anfangs auch Scherzartikel. Bekannt war die so genannte „Bieruhr“. Aus ihr entwickelte die Firma eine Kinderspieluhr. Natürlich war das keine wirkliche Uhr, sondern eben nur ein Spielzeug. Trotzdem war das der Einstieg in die Branche, denn diese neckische Spielerei wurde plötzlich zu einem echten Renner. Dieser Massenartikel verkaufte sich prächtig vor allem in Nordamerika und England. 1878 beschäftigte man deshalb schon zweihundert Arbeiter. Doch ungenaue Zeitmesser machen keinen Spaß. 

Auch Kindern nicht. Ende der 80er-Jahre arbeitete die Firma Gebr. Thiel deshalb auf Wunsch amerikanischer Kunden an einer Kinderspieluhr, die mindestens eine Stunde lang richtig gehen sollte. Das forderte die Ruhlaer heraus. Am Ende stand eine Uhr mit zwölfstündiger Gangzeit. Damit war der Schritt zum echten Chronometer nicht mehr weit! 1890 begann man tatsächlich mit der Produktion einer ganz seriösen Taschenuhr. Unter dem Namen „Fearless“ brachte Thiel die erste in Deutschland hergestellte billige Taschenuhr in den Handel.

 

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Saatgut vom Feinsten durch Petkus

Man muss nur auf sich aufmerksam machen: Im Jahre 1894 präsentierte die Stadt Erfurt die Thüringer Industrie- und Gewerbeausstellung. Die neuesten Erzeugnisse wurden auf einer großen Anlage, nach Industriezweigen gegliedert, zur Schau gestellt. Auch eine Firma aus Wutha, einem kleinen Ort an der Eisenbahnstrecke vor den Toren der Stadt Eisenach, fand sich ein. Die Gebrüder Röber GmbH gehörte zu den Herstellern landwirtschaftlicher Maschinen. Im offiziellen Katalog der Ausstellung stand über das Fabrikationsprogramm der Wuthaer Firma sachlich und knapp „Reinigungsmaschinen aller Art“. 

Das Unternehmen trug ab 1883 den Namen Gebr. Röber. Der Vater, Christian Friedrich Röber, übergab seinen Söhnen Rudolf und Carl den Betrieb. Er gründete die Fabrik 1874. Begonnen hatte Christian Friedrich Röber allerdings bereits 1852, damals 21-jährig, mit einer Werkstatt für landwirtschaftliche Geräte. Wie so oft in Thüringen lag der Anfang in einem Handwerksbetrieb. Die ersten Erzeugnisse waren einfache Wagen für die Landwirtschaft. Bald kamen Pflüge hinzu. Später wandte sich Christian Friedrich Röber dem Bau anderer Maschinen zu – meist nach den Wünschen der Landwirte gefertigt. 

Bald musste er seine kleine Schmiedewerkstatt erweitern. Dazu richtete er einen Maschinensaal ein und betrieb eine erste Dampfmaschine. Damals gehörten auch Feuerspritzen zum Sortiment. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg bot sich Röber die Möglichkeit, einen Fabrikneubau in Angriff zu nehmen. 1874 war das Gebäude fertig gestellt. Mit der Geschäftsübergabe 1883 begann eine Spezialisierung. Der neue Firmenname zeigte dies. Man nannte sich jetzt Spezialfabrik für Reinigungs- und Sortiermaschinen. Auf dem damals geführten Logo sah man den säenden Landmann und darunter einige Maschinen der Fabrik. Vor eine war ein Lokomobil gespannt. Dieses Spezialgebiet hatten sich die Brüder Röber bewusst ausgewählt, obwohl noch kein wirkliches Käuferinteresse existierte.

Umschlagtext

Sie ist wie ein Stück Heimat mitten im Häuserdickicht von Manhattan: die Brooklyn Bridge.
Was der normale New Yorker kaum wahrnimmt, ist für den interessierten Thüringer nicht zu übersehen: Eines der ältesten Wahrzeichen der Stadt hat seine Fundamente im Tausende Kilometer entfernten Mühlhausen. Auch wenn der für seine Zeit atemberaubend kühne Bau dem von der Unstrut zugewanderten Erbauer Johannes August Röbling persönlich kein Glück brachte – er starb noch vor der Vollendung der Konstruktion – die Brücke bleibt ein sichtbares Zeugnis einer Region, aus der manch wichtiger wirtschaftlicher Impuls stammt. Der wirkt auch heute noch weit über die Ländergrenzen hinaus.


Das trifft auf Ingenieurleistungen ebenso zu wie auf den Bergbau, die Medizin oder die Wissenschaften.

Und wenn schon der Neandertaler nicht direkt im Eichsfeld gefunden wurde, so stammt doch zumindest sein Entdecker, Prof. Dr. Johann Carl Fuhlrott, von dort.
Mag sein, dass die ganz großen Investoren den Raum heute noch für sich erschließen müssen, fest steht, ohne Unstrut-Hainich-Kreis und ohne Eichsfeld wäre Thüringen sehr viel ärmer.

Um Geschichte, Kreativität und Lebensfreude.

 

Sergej Lochthofen
Chefredakteur "Thüringer Allgemeine"

Mühlhäuser Pflaumenmus

Man stand Schlange danach, es gab Prozesse um den Schutz der Marke und es überdauerte die bewegtesten Zeiten: das Mühlhäuser Pflaumenmus.

Begonnen hatte alles 1908. In der Eisenacher Straße 3 in Mühlhausen gab es zu dieser Zeit eine Kolonial- und Materialwarenhandlung C. Thämert.

Der Namensgeber Carl Thämert, der das Geschäft schon vor 1900 betrieb, war bereits gestorben. Witwe Mathilde führte es weiter. In ihrem Hinterhaus wurde damals schon Marmelade und Pflaumenmus gekocht. Die feinen würzigen Zutaten kamen aus dem Laden. Das Obst gleich von nebenan – aus dem Garten und von den vielen Obstanbauern der Gegend. Denn die bauten zum größten Teil Zwetschen an. Dort im Hinterhaus schaute Sohn Hermann sicher häufig seiner Mutter über die Schultern, musste mit anpacken. Hier lernte er auch die leckeren Rezepte kennen und war davon überzeugt: Daraus lässt sich Geld machen. So verlegte sich Hermann Thämert (1885-1952) auf die Obstverwertung und gründete 1910 die Dampf-Muskocherei Hermann Thämert in der Eisenacher Straße 3. Der Laden wurde aufgegeben. Die Muskocherei betrieb Thämert im Hinterhof weiter. Bald brauchte er mehr Platz. So beantragte Hermann Thämert 1916 die Aufstellung eines Dampfkessels für eine Dampfkochanlage in seinem Garten in der Brunnenstraße. Dafür musste die Gartenlaube herhalten. Jetzt kochten schon 10 Leute Mus und auch Konfitüren. Nach dem Krieg ging Thämert den Ausbau seiner Thüringer Pflaumenmus- und Marmeladenfabrik im Gartengrundstück an: ein Kesselhaus mit Schornstein (1918), eine Unterwindfeuerung für den freistehenden Dampfkessel, ein Klosetthaus, Garagen und 1922 schließlich ein provisorischer Anbau zur Aufstellung von Dampfkochkesseln. 1924 ließ Thämert dann das Fabrikgebäude in der Brunnenstraße errichten. Der Übergang zur industriellen Fertigung war erfolgt. Das Gebäude diente immerhin 70 Jahre der Mus-Herstellung! Inzwischen nannte sich die Firma Thüringer Pflaumenmus- und Konservenfabrik. Auch in den 30er-Jahren erweiterte Thämert seine Anlagen. 1938 produzierte die Fabrik schon 4000 Tonnen süße Brotaufstriche. Übrigens machte man auch Früchte- und Gemüsekonserven, Fruchtsäfte, Gurkenkonserven und Sauerkohl.

1972 erfolgte die Verstaatlichung zum VEB Thüringer Pflaumenmus- und Konservenfabrik. Als Mühlhäuser Pflaumenmus GmbH erfolgte dann der Start in die Marktwirtschaft. Schon 1995 war das Mühlhäuser Pflaumenmus Marktführer in Ostdeutschland, selbst in den alten Bundesländern rutschte es auf den 2. Platz. Inzwischen kann man das Mühlhäuser Pflaumenmus deutschlandweit in 34000 Läden kaufen, es wird sogar nach Afrika, Asien und Amerika geliefert.

Die Eichsfelder Obertrikotagenwerke

Kaum zu glauben: Im Eichsfelder Obertrikotagenwerk verstrickte man 1977 rund 432 Millionen Kilometer Strickfaden! Eine Länge, mit der man den Äquator mehr als 10000 Mal umwickeln könnte - und ein Gewicht von rund 1200 Tonnen. Daraus machte man Herrenobertrikotagen. Das musste schon ein riesiges Werk sein, dort in Dingelstädt, der offiziellen Adresse des EOW!

Es war tatsächlich ein großer Betrieb - aber keine riesige geschlossenen Fabrikanlage. Vielmehr war das EOW ein Betrieb, der sich über fast 30 Jahre Stück für Stück vergrößerte. 1977 gehörten Fabrikationsstätten in Dingelstädt, Kirchworbis, Gebra, Birkungen, Beberstedt, Silberhausen, Kefferhausen, Helmsdorf, Zella, Horsmar, Küllstedt, Bickenriede, Effelder und Heyerode dazu. In den 14 Werken des EOW arbeiteten damals 1600 Mitarbeiter. Wo lag nun Ursprung des EOW? Man könnte ins Jahr 1953 zurückgehen, damals entstand das EOW. Oder ins Jahr 1951, als der VEB Fortschritt Dingelstädt gebildet wurde und damit jener Betrieb, an den dann alle anderen angegliedert wurden. Oder man blickt ganz zurück zu den Anfängen der Strickerei in Dingelstädt: ins Jahr 1892. Da gründete Christoph Schellhaas in der Blochmühle in Dingelstädt die erste Strickerei des Eichsfeldes. Doch schon 1896 wurde sie behördlicherseits wieder geschlossen. In den folgenden Jahren führte Christoph Schellhaas ein Großhandelsgeschäft, wo er neben Wäsche auch Strick- und Wirkwaren vertrieb. Hier beschäftigte er einen Lehrling und eine Zuschneiderin, alles andere besorgten Heimarbeiter. 1903 wagte er mit seinem Bruder Heinrich Schellhaas einen Neuanfang. Die beiden kauften ein Haus in der Wilhelmstraße und stellten Strickmaschinen auf. Bald beschäftigten sie 50 Fabrik- und 50 Heimarbeiter. Gestrickt wurden Jagdwesten, Sweaters und Damenwesten, wenig später auch die gefragten Knabenanzüge. Dazu führte man die hier noch unbekannten Rundwirkmaschinen ein. 1911 beschäftigte das Werk 120 Mitarbeiter, dazu viele Heimarbeiter. Von 1910 bis 1912 entstand ein modernes vierstöckiges Fabrik-Gebäude in der Steinstraße. An der Ausrüstung wurde nicht gespart: Dampfkesselanlage, Lichtanlage, neue Maschinen wie Jacquard- oder Spezialnähmaschinen, viele schon motorbetrieben.

Nach 1945 gingen die neuen Herren gezielt gegen die privaten Unternehmer vor. 1949 wurde dem alten Inhaber Christoph Schellhaas (82 Jahre) in einem aufwändigen Prozess Steuerhinterziehung angelastet, worauf sein Unternehmen unter Treuhandschaft gestellt und 1950 verstaatlicht wurde.

Nach der Wende wurden unter Treuhandregie die Betriebe des EOW entflochten. Einige setzten die Eichsfelder Stricktradition fort: in Dingelstädt zum Beispiel WIGU Wilhelm Gundermann, die Dingelstädter Strick GmbH und die MB Mode Modeproduktions GmbH, außerdem in Küllstedt die Trift Strickwaren GmbH.

Die Dingelstädter Zigarrenproduktion

1910 eröffnete eine bedeutende Berliner Zigarrenfirma eine kleine Sortiererei in der Dingelstädter Riethmühle. Es handelte sich um die bereits 1850 gegründete Firma Neumann. Zwei Jahre später nahm sie hier auch die Zigarrenfabrikation auf. Die Neumann AG wurde zu einem der größten Unternehmen in der deutschen Tabakindustrie überhaupt. 1922 war ein Fabrikneubau in der Birkunger Straße, damals noch unbebautes Gelände, fertig gestellt. Er diente der Gesellschaft als Zentralbetrieb für das Eichsfeld, wo ihre gesamte Zigarrenproduktion zusammen lief und die hiesigen Filialbetriebe koordiniert wurden. Ende der 30er-Jahre waren das fast 40 mit rund 2500 Mitarbeitern. Im Zuge der so genannten „Arisierung" der deutschen Wirtschaft wechselten im Januar 1938 die Besitzer: Die Zigarrenfabrik Martin Brinkmann erwarb die Mehrheit am 1,2 Millionen Mark umfassenden Aktienkapital der Neumann AG. Sie verkaufte noch im gleichen Jahr an die Gildemann Zigarrenfabriken AG. Bald nach Kriegsende wurde sie enteignet. Sie gehörte nun als „Werk Gildemann" zur Vereinigung Thüringer Tabakfabriken. Den Namen Gildemann führte der neue VEB vorerst weiter. Nach dem Krieg wurde mit der Zigarrenherstellung zunächst im Dingelstädter Hauptbetrieb und in acht Filialen mit 300 Arbeitskräften begonnen. Nachdem die Vorkriegsbestände aufgebraucht waren, musste der VEB Gildemann auf inländische Tabake umsteigen. Doch eine gute Zigarre braucht die besseren Qualitäten der ausländischen Tabake. Deshalb waren die Dingelstädter froh, dass Ende der 50er-Jahre endlich wieder der erste Importtabak verarbeitet werden konnte. Die Zigarrenproduktion wuchs seit 1949 ständig. 1956 arbeiteten schon 19 Filialen mit 1500 Beschäftigten für den Dingelstädter Hauptbetrieb. 1958 waren es dann über 20 und zwar in: Lengenfeld unterm Stein, Küllstedt, Neuendorf, Ecklingerode, Kella, Großbartloff, Struth, Beberstedt, Wilbich, Effelder, Hundeshagen, Gernrode, Kallmerode, Ershausen, Geisleden, Kreuzebra, Helmsdorf und in Martinfeld. In Dingelstädt gab es neben dem Hauptbetrieb noch drei weitere Filialen. 1945 kamen aus Dingelstädt 19,6 Millionen Zigarren, 1957 waren es fünf Mal so viele. Für eine weitere Produktionssteigerung musste mechanisiert werden. Denn ein geschulter Wickelmacher schaffte per Hand täglich 1800 Wickel, ein damaliger„Wickelautomat" dagegen 20000 Stück! 1961 gab es die erste völlig maschinell gefertigte Zigarre. Neu war seit 1.1.1961 auch der Name: VEB Zigarrenfabriken Dingelstädt.

Mit der Wende kam - beinahe - das Ende. Zuerst wurde die Tabak-Haus Dingelstädt GmbH als Treuhandbetrieb gegründet. Schließlich erwarb im Oktober 1992 Joh.W. von Eicken aus Lübeck als Gesellschafter die Treuhandgeschäftsanteile. Heute werden in Dingelstädt hochwertige Zigarren-Sortimente, Pfeifentabake und Feinschnitttabake zum Selbstdrehen und Stopfen von Zigaretten sowie Zigaretten hergestellt.

Umschlagtext

Ich erinnere mich an diese Begegnung, als wäre es gestern gewesen.

Der Wartburg zuckelte bedächtig über die Donau-Brücke, der ungarische Grenzer nickte nur beiläufig und wollte weder Papiere noch Kofferraum sehen. Was an einer Grenze im Osten eher selten vorkam. Dann ging es schnurstracks in die nächste Stadt, nach Györ, und in den Supermarkt, wo man sich mit den wenigen Forint in der Hand äußerst wählerisch gab. Creme aus Deutschland, Kosmetik aus Frankreich, Schokolade aus der Schweiz – es war so, wie man sich ungefähr den Westen vorstellte. Nur das Bier kam nicht aus Bayern und nicht aus Nordrhein-Westfalen, sondern aus Thüringen. „Apoldaer Dominator“, da wurde es einem warm ums Herz.

Das „Apoldaer“ machte sich gut inmitten der bunten Regale. Dass es auch nach der Wende seinen Platz dort behauptet, konnte man schon frühzeitig, noch bevor der „Eiserne Vorhang“ fiel, erkennen. Seitdem ist es für mich eine Art Hobby, egal, wo man als Journalist in der Welt hinkommt, nach Zeichen aus der Heimat zu suchen. Dann übersieht man auch nicht eine prächtige Vitrine mit Porzellan aus Blankenhain in der Hauptstadt Georgiens Tiflis oder die üppige Auslage mit Qualitätswurst aus Nohra in London.

Die Region zwischen Ilm und Saale, das ist natürlich immer wieder Goethe und Schiller, aber sie hat mehr zu bieten, als es auf den ersten Blick scheint. Wer mit offenen Augen durch das Land fährt, wird es nicht übersehen.

 

Sergej Lochthofen
Chefredakteur „Thüringer Allgemeine"

Gutes aus Apolda ? Gutena

Jeder in der DDR kannte „Filinchen" und viele schätzten das leicht knusprige Waffelbrot. Und noch heute wird es in Apolda bei Gutena hergestellt. Das „Filinchen" ist der Verkaufsschlager aus dem Hause Gutena. Im Jahre 1956 begann die noch immer währende Erfolgsgeschichte des „Filinchens".

Vielerlei Waffeln 
Erst zehn Jahre zuvor hatte Oskar Kompa in Apolda seine Bäckerei und Konditorei gegründet. Hier gab es ganz normale Frischbackwaren, also Brot, Brötchen und Kuchen. Doch das genügte Oskar Kompa nicht - er vertiefte sich in das Thema „Waffel". Schon 1949 nahm er die Waffelproduktion in Angriff.

Die Waffelbäckerei befand sich in der Grünstraße 1-3, der einstigen Schokoladenfabrik Strasser. Hier produzierte man nun so genannte Trockenwaffeln für Speiseeis, auch Eistüten und Wiener Schalen, fett- und eiweißarme gefüllte Waffeln, weniger fettarme Mohrenküsse, Kompas gefüllte Oblaten sowie Oblaten für die Lebkuchen- und Weihnachtsbäckerei.

Vieles entstand damals noch manuell, doch Stück für Stück vergrößerten sich die Produktionsanlagen hin zur industriellen Fertigung.

Auf leichter Schiene 
Dann kam das besagte Jahr 1956 - Kompa stieg in die Produktion von Diät- Erzeugnissen ein. Dazu gehörte auch das hauchzarte im Waffeleisen gebackene Waffelbrot „Filinchen". Bereits um 1952 hatte sich Kompa mit der Entwicklung einer Leichtkostschnitte auf die „leichte Schiene" begeben. Nach und nach erweiterte er sein Diätsortiment um folgende Produkte: Flachbrot für Diabetiker, Diabetiker-Zwieback, Sorowena-Schnitten, Okona-Brot, Kindernahrung, Vollkorn-Nahrung, Diabetiker-Nahrung, Weizenkeime sowie eine glutenfreie und eiweißarme Mehlmischung.

Überdurchschnittlich 
Oskar Kompa bescheinigte man „überdurchschnittliche Kenntnisse auf dem Gebiet der Ernährungsforschung". Sein Engagement galt der Entwicklung diätetischer Erzeugnisse, besonders diätetischer Gebäcke und Nährmittel. „Gute Nahrung" wollte er herstellen. Seit 1958 lief seine Firma unter dem Namen „Gutena Inh. Oskar und Martha Kompa OHG". Seine Produktionsleistung konnte er von 2,2 Mio. DM im Jahr 1959 auf drei Mio. im Folgejahr steigern. Er beschäftigte in der Grünstraße 1-3 und in der Ackerwand schon um die 100 Leute. Vier Backautomaten standen ihnen zur Verfügung.

Zuckerbrot und Peitsche 
Der Staat drängte auch Kompa 1960 zur Aufnahme einer staatlichen Beteiligung. Anschließend wurde Kompa für seine anspruchsvollen und qualitätsreichen Verbrauchsgüter ausgezeichnet: Er erhielt ein Ehrendiplom und eine Geldprämie - selbst die sozialistischen Machthaber bedienten sich des Bismarckschen Mottos von „Zuckerbrot und Peitsche".

Doch Kompas Vertrauen in den Staat war nachhaltig zerstört, da halfen auch Prämien nichts mehr: Oskar Kompa verließ trotzdem seine gut florierende Firma und Apolda und begab sich samt Familie nach Westdeutschland. Der verlassene Betrieb erhielt eine Treuhand-Verwaltung. Ende der 60er wurde Gutena in das „Diabetikerprogramm" der DDR eingegliedert, 1971 ganz auf Diäterzeugnisse spezialisiert. 1972 folgte die Verstaatlichung. Es entstand der VEB Diätbackwaren Gutena. Die über 80 Mitarbeiter produzierten zirka 500 t Diätbackwaren im Jahr, 1989 sogar 630 t.

Die Wende brachte beinahe das Ende. Doch das Filinchen rettete als beliebte Marke das 1992 privatisierte Unternehmen. Der neue Inhaber, die WHG Weißenfelser Handelsgesellschaft, kam aus dem Osten und war vom Fach. Und es wurde investiert in die Zukunft: Seit 1998 befindet sich die Gutena im neuen Gewerbegebiet an der B 87. (gekürzt)

Die Apoldaer Vereinsbrauerei

Gebraut wurde in Apolda mindestens seit 1440 - das ist bewiesen. Die Apoldaer Vereinsbrauerei, in der diese lange Brautradition gipfelte, entstand allerdings erst 1887.

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bildeten sich zwei so genannte Braugesellschaften heraus, die der „Innstädter" und die der „Vorstädter", die in einem ausgeklügelten System die Braureihenfolge untereinander auslosten. 100 Jahre später vereinigten sich die beiden Braugesellschaften zu einer.

Aus der vereinigten Braugesellschaft heraus wuchs letztlich eine private Brauerei. 1872/73 entschied man sich zur Umwandlung der alten Braugesellschaft in eine der Zeit entsprechende Unternehmensform. Sie firmierte als Städtische Braugesellschaft zu Apolda Karl Kürschner & Co.

Die Deinhardts in Apolda
Neben der Braugenossenschaft gründeten sich zwei weitere Brauereien. Anfang der 70er-Jahre gab es:

- die Commun-Brauerei (städtische Braugesellschaft)
- die Bankewitz'sche Brauerei
- die Deinhardtsche Brauerei.

1864 nahm die Brauerei Wilhelm Deinhardt ihre Tätigkeit auf, da wurde sie jedenfalls in Apolda angemeldet. Doch 1882 starb Wilhelm Deinhardt in einer Heilanstalt - schon einige Zeit davor litt er unter einer unheilbaren Krankheit. Sein jüngerer Bruder August sprang deshalb ein und übernahm die Geschäftsführung. Er verkaufte dann die Brauerei in der Bahnhofstraße an die Gebrüder Franz und Emil Bohring. Zu dieser Zeit erreichte die Brauerei einen Jahresumsatz von rund 1250 Hektolitern.

Im Adressbuch der Stadt Apolda waren 1879/80 schon die Gebrüder Bohring Inhaber der Brauerei in der Oberen Bahnhofstraße 25. Jetzt bestanden nur noch die Brauereien der Gebr. Bohring und die Stadtbrauerei. Die städtische Braugenossenschaft (Karl Kürschner & Comp.) befand sich laut Adressbuch von 1882/83 am Topfmarkt 18.

Neue Besen kehren gut
Die Gebrüder Bohring erweiterten den Brauereibetrieb in der Oberen Bahnhofstraße 25. Nach knapp 10-jähriger Brautätigkeit (1887/88) vermeldeten sie einen Jahresumsatz von rund 18793 Hektolitern Lager- und Einfachbiere. Am 7. August 1888, vereinigte sich die Brauerei der Gebr. Bohring mit der städtischen Braugenossenschaft Karl Kürschner & Co. zur Vereinsbrauerei Apolda Aktiengesellschaft. Diese verfügte nun über ein Grundkapital von 850000 Mark. Die beiden Brauereien wiesen damals ein etwa gleichstarkes Produktionsvolumen auf. Karl Kürschner & Co. braute ähnlich wie Gebr. Bohring Lager- und Einfachbiere, zusätzlich noch Weizenbiere. Das erste gemeinschaftliche Betriebsergebnis belief sich beachtlicherweise auf 42200 Hektoliter Bier. Die Adresse der Gemeinschaftsbrauerei war der Topfmarkt 18. Am Topfmarkt wurden nun Grundstücke gekauft sowie die Brauerei- und Mälzereianlagen aus- und neugebaut. Neuer Direktor wurde 1889 der Kaufmann Karl Schilling. 1890 ging die neue Mälzerei in Betrieb, die Flaschenabfüllung lief im Geschäftsjahr 1901/02 an.

Der Region verbunden 
Die Vereinsbrauerei entwickelte sich beständig weiter, blieb dabei aber immer der Stadt und der Region verbunden, auch wenn sie ihre Eigenständigkeit zeitweilig verlor wie 1928 an die große Riebeck AG Leipzig-Reudnitz oder 1969 an das Getränkekombinat Erfurt. Auch heute gehört das Engagement für die Heimat zur Geschäftsphilosophie der heute wieder privaten Apoldaer Vereinsbrauerei mit ihren 53 Mitarbeitern. Von 1990 bis 2008 wurden hier immerhin rund 15 Millionen Euro investiert. (gekürzt)

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Geschmack total - Die Weimarer Wurstwaren GmbH

„Mmmm – Weimarer! Lecker!“ Mit diesem Werbe-Slogan sind die Spezialitäten der Marke „Weimarer“ gemeint wie etwa: Thüringer Rostbratwurst, Thüringer Leber-, Rot- und Mettwurst und viel mehr. Sie alle kommen aus Weimar – besser aus Nohra bei Weimar – von der Weimarer Wurstwaren GmbH. Erst 1993 zog das Werk ins Gewerbegebiet Nohra, bis dahin war es in der Stadt Weimar zu Hause. Die Anfänge machte man am Jahr 1886 fest. Da begann im Auftrag der Weimarer Fleischerinnung der Neubau des Schlachthofes. Eingeweiht wurde der im Stil der Neorenaissance gehaltene Schlachthof an der nach ihm benannten Straße im Oktober 1887. Kurz zuvor trat eine neue Schlachtordnung in Kraft. Die bestimmte, dass alle im neuen Schlachthof zu schlachten hatten. Etwa zehn Jahre später erwarb die Stadt Weimar den Schlachthof und führte ihn ab 1900 als städtischen Betrieb weiter – selbst über die schlimmsten Versorgungslagen in den Krisen- und Kriegszeiten hinweg. 1945, am Ende des verheerenden Krieges, lag der Schlachtbetrieb still, nahm aber bald die Arbeit wieder auf.

 1951 wandelte man den Schlachthof Weimar in einen volkseigenen Betrieb um. Jetzt begann die Schlachtung in eigener Regie. Ab Mitte der 50er-Jahre erfolgte die schrittweise Verbesserung der technischen Ausstattung. Und schon seit 1960 wurde die stillgelegte Molkerei in Nohra für die Geflügelschlachtung genutzt. Inzwischen verfügte der Schlachthof über etwas mehr als 100 Arbeitskräfte.

Zusammengesteckt
Zur Absicherung des Fleischbedarfs begann im Bezirk Erfurt ab 1963 die Konzentration der Fleischindustrie in zwei Fleischkombinaten. Das Erfurter Kombinat umfasste den südlichen Bereich des Bezirkes. Im Vorfeld bildete man 1965 ein kleines „Fleischkombinat“ mit dem Namen „VEB Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb Weimar“ mit dem Weimarer Schlachthof, den VEB Thüringer Fleischwarenfabriken in Weimar und in Apolda sowie dem VEB Thüringer Fleisch- und Wurstwarenfabrik in Blankenhain. Dieses „Kleinkombinat“ wurde dann als Ganzes in das Fleischkombinat Erfurt integriert.

Alteingesessen
Übrigens konnten die hier zusammengefassten volkseigenen Fleischwarenfabriken aus Weimar und Apolda auf eine lange Geschichte zurückblicken. Beim Apoldaer Betrieb handelte es sich um zwei einst eigenständige Firmen: Um den 1896 eröffneten Apoldaer Schlachthof in der Buttstädter Straße und um die alteingesessene und vor dem Krieg weithin bekannte ehemalige Firma August Opel Fleischwaren- und Gänseleberpastetenfabrik in der Bachstraße 15, gegründet 1832. Der VEB Fleischwarenfabrik Weimar entstand 1948 nach der Enteignung der Thüringer Fleischwarenfabrik KG Ernst und Karl Daniel Weimar. Ihr war zudem die einstige Fleischwarenfabrik Bernhard Olm – direkt gegenüber dem viel besuchten Goethehaus – angegliedert.

Mut zum Neuanfang
Auch in Weimar bekam man die Wende zu spüren. Die wöchentlichen Schlachtleistungen gingen drastisch zurück. Eine schnelle Lösung musste her. Die rettende Idee: Ein neues Produktions- und Vermarktungszentrum an einem günstiger gelegenen Ort. Durch einen geschickten Schachzug konnte entgegen dem Willen der Treuhand die eigenständige Privatisierung des Weimarer Betriebes erfolgen. Und damit war der Weg frei für das neue Fleischzentrum – es entstand in Nohra. Am 1.1.1994 begann die Arbeit im modernsten Schlacht-, Zerlege- und Verwurstungsbetrieb Thüringens, hier ist „alles unter einem Dach – von der Zucht bis auf die Ladentheke“. Heute sind die Weimarer aus Nohra übrigens der größte Produzent der Thüringer Rostbratwurst. (gekürzt)

Weimarer Porzellan kommt aus Blankenhain

Schon im 18. Jahrhundert hatte man erkannt, dass die Gesteinsschichten der Blankenhainer Umgebung für die Produktion von Porzellan in Frage kommen. Daraufhin wagte Christian Andreas Wilhelm Speck, sich mit einer Porzellanfabrikation selbstständig zu machen. Er erhielt die Konzession zur Porzellanproduktion am 1. Juli 1790. Die Urkunde war in Wien ausgestellt worden. Zur Einrichtung seiner Fabrik hatte Speck das Schießhaus in Blankenhain erworben und umgebaut.

Tassen und Pfeifenköpfe
Seine ersten Erzeugnisse waren Tassen, kleine Figuren und Pfeifenköpfe. 1797 stellte Speck erstmals auf der Leipziger Messe aus. Damals benutzte er als Fabrikmarke das blaue "S" (für Speck) unter Glasur. Als Blankenhain 1815 in die großherzoglich-sächsische Herrschaft überging, beschäftigte Speck 155 Personen, die 11.000 Reichstaler verdienten. Das "Umtriebskapital" der Fabrik schätzte er auf 20.000 Reichstaler. Doch im Sommer 1817 ereilte die Fabrik ein verheerender Brand, beinahe die ganze Anlage fiel in Schutt und Asche. Aber sie wurde erneut aufgebaut. Schon 1821 exportierte sie ihr Porzellan wieder nach Preußen.

Des großen Goethes Lob
Übrigens - auch Johann Wolfgang von Goethe kannte damals das Porzellan aus Blankenhain, von ihm stammen die Zeilen: "...das Porzellan ist gut, besser als man es ganz in der Nähe zu machen vermag und nicht teuerer." Selbst der Weimarer Hof kaufte im Porzellanwerk ein, schließlich gehörte es ja nun zum Herrschaftsgebiet.

Als Speck 1830 starb, war die Fabrik auf Gustav Vogt übergegangen. 1830 sollen nur noch 25 Arbeiter und Lehrlinge im Werk gearbeitet haben. Dazu gehörten mehrere Dreher, Bunt- und Blaumaler, je ein Tier-, Landschafts-, Figuren-, Jagd-, Kunst-, Prospekten- und Porträtmaler, außerdem ein "akademischer" Maler, ein Dekorateur und ein Former. Vogt hatte gute künstlerische Fachkräfte herangezogen, was eine Steigerung der Qualität der Blankenhainer Ware bewirkte. Doch schon 1836 verkaufte Vogt die Fabrik - die Eigentümer wechselten. 1856 kam Victor Fasolt aus der bayerischen Stadt Selb. Für die Fabrik begann jetzt eine Zeit des Aufschwungs. Fasolt verband sich mit Ferdinand Eichel zur Firma Fasolt & Eichel. Die neuen Inhaber erweiterten die Fabrikanlagen. Vor allem stellten sie die Öfen auf Steinkohlefeuerung um, damit waren sie die Ersten in Thüringen. Die bisher bescheidene Produktion konnten sie vervielfachen.

Eine resolute Frau 
Nach dem Tod der beiden Inhaber übernahm Elisabeth Fasolt, die hinterbliebene Witwe, das Ruder in der Fabrik. Sie stammte aus einer in Porzellankreisen bekannten Familie, ihr Geburtsname war Hutschenreuther. Ihr wurde bescheinigt, dass sie "begabt mit einer außergewöhnlichen Befähigung zur Leitung" war. Sie führte und erweiterte das Unternehmen resolut - "mit energischer Hand und zielbewusstem Blick". 1879 übergab sie es an ihre beiden Söhne. Auch sie entwickelten und vergrößerten das Werk und die Produktion in den folgenden 20 Jahren weiter. Schon 1891 verfügten sie über Wasser- und Dampfkraft und beschäftigten 250 Arbeitskräfte. Die Fasolt-Brüder schufen eine neue Fabrikmarke, die sich an das sächsische Rautenschild anlehnte und die Inschrift "Weimar" erhielt. Doch 1905 erkrankte erst Karl Fasolt, 1906 starb sein Bruder. Die Fabrik musste 1909 veräußert werden. Seit 1918 gehörte das Werk zur Firma C. & E. Carstens. Nun wurde der Export wieder kräftig angekurbelt, zugleich der Name "Weimar-Porzellan" etabliert. Der Krieg brachte erneut Einschnitte, auch in der Erzeugnispalette. Und danach? 1948 wurde der größte Blankenhainer Betrieb enteignet. Blieb aber als "VEB Weimar-Porzellan" bestehen. Nach der Wende ging es auf und ab, die Eigentümer wechselten mehrmals. Heute gehört Weimar-Porzellan zu einem anderen thüringischen Porzellanhersteller. (gekürzt)

Umschlagtext

Wenn ich entlang der B4 von Erfurt nach Nordhausen über Sondershausen fahre, begrüßen mich gleich zwei Wahrzeichen der Industriegeschichte: Der eindrucksvolle Förderturm des Petersenschachtes in Sondershausen – auch als kleiner Bruder des Eiffelturms bezeichnet –, und ein moderner Quader aus Glas, Stahl und Beton an der Einfahrt Nordhausens. Sie stehen zugleich für zwei der bedeutendsten Industriezweige der Südharz-Kyffhäuser-Region: die Kaliindustrie und den Schachtbau. Von beiden berichtet dieser Band – und noch viel mehr: Von Korn und Kautabak, vom Kyffhäuser und seinem Denkmal, von Zucker und Schokolade, von Schleppern und Baggern.

Neben den bekannten Namen gibt es aber auch so manch außergewöhnliches Erzeugnis zu entdecken, wie die Grottenbauten aus Greußen und Clingen, Touren-Ski aus Großfurra, „Stieli“ – Eis am Stiel aus Nordhausen, Perlmutter-Knöpfe aus Bad Frankenhausen, selbstauflösende Wäschebeutel aus Wiehe. Und wussten Sie, dass Autoscooter aus Nordhausen kamen? Dass Playmobil mit Maschinen made in Thüringen produziert? Ja, dass sich nirgendwo so viele Marder, Leoparden und Geparden gute Nacht sagen wie bei den Panzerknackern in Rockensußra?

All diesen Geschichten widmet sich der abschließende Teil von Manufakturen Maschinen Manager – erkunden Sie die Region zwischen Südharz und Kyffhäuser, es lohnt sich!

 

Tamara Hawich

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