Standort Erfurt / Station Braugold-Brauerei und Steigerbrauerei

Nur die Bierlöcher blieben

Eine der ältesten Erwähnungen des Erfurter Bieres verknüpft sich mit einem schauderhaften Moment. König Rudolf von Habsburg machte 1289/90 für ein Jahr Erfurt zum Mittelpunkt des Reiches. Von hier aus zog er gegen Raubritter zu Felde. Nach deren Hinrichtung auf dem Fischmarkt soll der Herrscher ausgerufen haben: Wohl an! Ein gut Erfurtisch Bier sei aufgetan!

Bier gehört seit eh und je zu den Grundnahrungsmitteln. Das lag früher nicht unbedingt am guten Geschmack des Bieres, sondern wohl vor allem daran, dass normales Wasser im Mittelalter und in der Neuzeit oft durch Unrat verdorben war. In Erfurt führte dies zu einer regelrechten Schwemme an Braustätten. Etwa 200 Bürger besaßen hier das Recht, Bier zu brauen und zu verkaufen. Sie durften sich Biereigen nennen.

Schon bald bürgerte sich der Brauch ein, das Vorhandensein frischen Bieres an den Fassaden der Braustätten durch einen Strohwisch anzuzeigen. Das Stroh wurde in Löcher gestopft, die mitunter sehr kunstvoll gestaltet waren, etwa als Dämon mit offenem Mund oder als Löwenmaul. Wer heutzutage durch Erfurt läuft, der kann noch etliche dieser Bierlöcher entdecken.

Als in Erfurt 1817 die Privilegien zum Bierbrauen fielen und damit die Biereigenhöfe der Geschichte angehörten, war der Weg frei für die Entstehung von gewerblichen Brauereien. Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts entstanden mehrere Brauereien; es kam wiederholt zu Besitzerwechseln. Schließlich gingen drei Erfurter Brauereien gemeinsame Wege sowie 1921 in der „Leipziger Bierbrauerei zu Reudnitz Riebeck & Co. AG“ auf, dem Vorgängerbetrieb der späteren Braugold Brauerei. Es handelte sich um die Gottlieb Büchner AG in der Daberstedter Straße sowie um die Brauereien J. Baumann in der Sedanstraße und Aktienbrauerei in der Arnstädter Straße.

Produzierte die nunmehrige Riebeck-Brauerei 1921 noch 100 000 Hektoliter Bier, so konnte sie den Ausstoß bis 1928 fast verdoppeln. Doch die erfolgreiche Entwicklung wurde durch die Krisen- und Kriegsjahre gebremst. Ein Bombenschaden legte 1944 den gesamten Betrieb lahm. Nach notdürftigen Reparaturen begann das Brauen im Juni 1945 wieder, allerdings aufgrund der Rohstoffknappheit nur mit Dünnbier.

1948 wurde die Riebeck-Brauerei in Volkseigentum überführt und 1956 zur VEB Brauerei Erfurt umbenannt. Jetzt erhielt sie ihr bis heute gültiges Warenzeichen Braugold. Braugold war die größte Brauerei im damaligen Bezirk Erfurt, deshalb wurde sie zum Sitz und Stammbetrieb des Getränkekombinates Erfurt auserkoren. Dieses wurde 1969 aus zehn Brauereien gebildet, zu denen nach 1972 weitere kamen, wie die Erfurter Steigerbrauerei. Hier hatten ab 1822 die Gebrüder Treitschke den Braubetrieb zum Laufen gebracht. 1908 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und nannte sich ab dann Steigerbrauerei Aktiengesellschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb volkseigen. Bis 1982 braute man am Steiger. Danach wurde hauptsächlich alkoholfreie Erfrischungsgetränke abgefüllt. 1990 kam es zur Gründung der Steiger Brunnen GmbH, die jedoch schon 1994 geschlossen wurde.

Die ersten Schritte in der Marktwirtschaft machte Braugold an der Seite der Licher Brauerei, 1996 erfolgte die Übernahme durch die Riebeck-Gruppe. In der Zwischenzeit flossen erhebliche Mittel in die Modernisierung der gesamten Anlagen wie in das Sudhaus, die Lagerkeller oder die Flaschenabfüllung. Das Unternehmen behauptet sich einige Jahre erfolgreich am Markt; dann musste es sich dem Konkurrenzdruck geschlagen geben. Braugold existiert nur noch als Marke; das Bier wird andernorts gebraut. Doch geblieben sind die Brauereien an sich. Da ist zum einen das Wohnhaus des einstigen Brauereibesitzers Carl Baumann in der Schillerstraße 7. Es wurde 1901 zweigeschossig mit roten Klinkern gemauert. Das Baujahr und die Initialen kann man noch immer am Erker ablesen. Dahinter liegt der alte Produktionskomplex. Während die Brache von Braugold auf eine Wiederbelebung als Wohnquartier oder Platz für Büros und Geschäfte warten, hat die Steigerbrauerei dank Umbau zum Bürokomplex längst eine neue Bestimmung als Behörde gefunden. Hier ist das Thüringer Inneministerium eingezogen. In Erfurt gebrautes Bier gibt es aber dennoch. Einige Gastwirte produzieren für ihren eigenen Ausschank – ganz so, wie einst die Biereigen.

 

Die Steigerbrauerei liegt in der Steigerstraße, direkt am Rande des Stadtwaldes Steiger. Hier ist nach einer umfänglichen Sanierung das Thüringer Innenministerium eingezogen. Das Gebäude kann nur von außen besichtigt werden.


Die Braugold-Brauerei befindet sich in der Erfurter Schillerstraße, unweit des Hauptbahnhofs. Die Brache ist nicht zugänglich. Die einstige Fabrikantenvilla liegt direkt an der Hauptstraße und kann zumindest von außen besichtigt werden.

 

Steigerbrauerei an Erfurts Stadtrand
Steigerbrauerei an Erfurts Stadtrand
Braugold-Brauerei
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