Standort Weimar / Station Hetzer-Halle

Der Vater des modernen Holzbaus

Trauriger geht es kaum. Im Norden Weimars gibt es zwei Denkmäler Thüringer Industriegeschichte, die nebeneinander liegen und eines gemeinsam haben: Von ihnen ist kaum etwas übrig geblieben. Das eine ist die ehemalige Viehauktionshalle, die durch einen Großbrand vernichtet wurde, den jugendliche Dummheit verursachte. Gleich nebenan liegt die so genannte Hetzer-Halle, die im Müll zu versinken droht. Es sind beides unwürdige Zeugen dafür, wie in der Neuzeit mit wertvoller historischer Erinnerung im Bereich der Denkmalpflege umgegangen wird. Die einstige Viehauktionshalle entstand im Jahre 1939. Bauherr war die „Verwaltungsgemeinschaft Thüringer Zuchtviehversteigerungshallen Weimar“, Architekt Ernst Flemming. Während des Zweiten Weltkrieges als zentrales Ersatzteillager vom Heeresbauamt, nach 1945 von den sowjetischen Besatzungstruppen als Militärlager genutzt, diente die Halle seit 1995 mehrmals als Spielstätte des Weimarer Kunstfestes. In den 1990er Jahren fanden verschiedene Sicherungsmaßnahmen an Dach und Außenbau statt. Bautypologisch und konstruktionsgeschichtlich bestand ein Zusammenhang mit der um 1940 entstandenen Thüringenhalle in Erfurt. Traurige Berühmtheit erlangten die Hallen während der Nazizeit. Hier mussten sich jüdische Einwohner der Stadt versammeln, ehe sie die Todesfahrt in die Vernichtungslager antraten.

Nur einen Steinwurf entfernt steht die Hetzerhalle, die von wildem Grün überwuchert ist und vor sich hin rottet. Nur ein kleines Schild erinnert an eine große technische Geschichte. Am 22. Juni 1906 nämlich erhielt Zimmermeister Karl Friedrich Otto Hetzer das „Deutsche Reichspatent Nr. 197773“ für gebogene, verleimte Brettschichtträger aus zwei oder mehr Lamellen. Das war vor über 100 Jahren die Geburtsstunde des modernen Ingenieur-Holzbaus. So entwickelte und produzierte Hetzer einen hölzernen Profilträger mit I-Querschnitt, der aus verschiedenen Hölzern (Buche für Druckzone, Fichte für Zugzone) zusammengeleimt war. Der so genannte Hetzer-Träger ist in die Baugeschichte eingegangen. Noch heute ist der Name bekannt, auch wenn nicht mehr viele wissen, wer Hetzer war. Die deutlichen Vorteile seiner Erfindung lagen darin, dass er aus seinen verleimten Hölzern tragende Bauteile herstellen konnte, die es ihm schon damals ermöglichten, freitragende Dächer mit einer Spannweite bis zu 43 Metern zu bauen.

Otto Hetzer konnte noch 1910, bevor er im Jahr darauf starb, auf der Weltausstellung in Brüssel den technischen Durchbruch seiner neuen Bauweise erleben. Dort erhielt eine Reichsbahnhalle in Hetzerscher Bauweise den Grand Prix. Karl Friedrich Otto Hetzer führte in Weimar ursprünglich ein Dampfsägewerk mit Zimmerei – ein Betrieb, der in Spitzenzeiten bis 300 Leute beschäftigte. In der Zeit von 1891 bis 1910 erwarb Hetzer fünf Deutsche Reichspatente, darunter für einen Parkettboden aus Buchenholz. Berühmte Hetzer-Hallen etwa sind eine Sporthalle in Leipzig, eine Turnhalle in der Schweiz, die bekannte „Wernesgrüner Musikantenschänke" und natürlich die Hetzerhalle in Weimar. Dieser aber droht das gleiche Schicksal wie der einst wunderschönen Villa von Otto Hetzer in Weimar Nord. Anwohner kennen den romantischen Bau im Stile eines Märchenschlosses noch als „Grüne Villa“. Sie zerfiel und wurde einfach abgerissen.

 

Die Hetzerhalle liegt in der Marcel-Paulstraße 57 in Weimar. Die Ruine ist öffentlich nicht zugänglich und kann nur von außen besichtigt werden.

Hetzerhalle in Weimar
Hetzerhalle in Weimar
Villa
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Gedenktafel erinnert an vergangene Zeiten
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Werbebroschüre
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