Standort Weimar / Station Hetzer-Halle

Tipp - Weimar-Werk

Mähdrescher und Mobilkräne

Das lernten wir in den Sechzigern noch in der Schule: Weimar ist eine Industriestadt mit zwei großen Betrieben. Beide haben eines gemeinsam – sie liegen oberhalb des Bahnhofs im Norden der Stadt.  Im Uhrenwerk wurden (wie es der Name sagt) Uhren hergestellt, meist zum Aufhängen an der Wand. Was viele nicht wissen: Selbst die edlen Goldgehäuse für Armbanduhren aus Glashütte stammten vor der Wende aus Weimar. Eine ganz andere Zielgruppe hatte zu DDR-Zeiten das Weimar Werk: Mähdrescher, Kartoffelerntemaschinen und Mobilkräne wurden an die Landwirtschaft oder in die volkseigenen Baubetriebe geliefert. In besten Zeiten arbeiteten knapp 6000 Mitarbeiter in diesem Metallbetrieb, dessen Produkte auch im einstigen Ostblock hohes Ansehen genossen. Doch die Geschichte des Weimar-Werkes reicht viel weiter zurück. Am Anfang standen Waggons. Wer mit dem Zug von Leipzig aus in die Stadt Goethes einfuhr, der hatte über viele Jahre die ausgedehnten Anlagen der Waggonfabrik, des späteren Weimar-Werkes, im Blick. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert waren Lokomotiven, Waggons aller Art und Straßenbahnzüge gefragter denn je. Durch den Wirtschaftsaufschwung und mit steigender Bevölkerungszahl setzte ein starkes Städtewachstum ein. Das führte einerseits zur Erhöhung des Warenaustauschs auf Straße und Schiene und andererseits zu einer erheblichen Entwicklung des innerstädtischen Verkehrs. Viele Städte bauten jetzt ein eigenes Netz für die elektrischen Straßenbahnen. Unter diesen Bedingungen machten die Lokomotiv- und Waggonbauer in Deutschland bedeutende Geschäfte. Auch die Gründer der Waggon-Fabrik Weimar wollten daran mitverdienen. Am 1. Januar 1898 gründeten sie die Aktiengesellschaft Waggon-Fabrik Weimar und setzten ihr neues Werk auf die grüne Wiese. Im Oktober des gleichen Jahres konnte bereits mit der Fabrikation begonnen werden.

Weitaus schwieriger gestaltete sich das Eindringen in den Markt. Die Neulinge wurden erst einmal getestet. Die Kunden drückten die Preise, und da die Waggonfabrik Aufträge brauchte, musste sie mitspielen. So konnte sie bis zum Jahresende nur 72 Wagen ausliefern. Es kam aber noch ärger: Am 9. Juni 1899 brannte es in der Waggon-Fabrik, lange hatte die Gesellschaft mit den Brandfolgen zu kämpfen, bevor dann auch noch das eigene Bankhaus pleite ging und damit die Firma wirtschaftlich in die Knie zwang. Nach einer Neugründung suchte man wieder einmal Absatzmärkte und erweiterte die Produktion von Güter- Kessel und Personenwagen um Eisenkonstruktionen und militärische Ausrüstungen. 1914 übernahm die Waggon- und Maschinenfabrik AG den Großteil der Aktien. Zu dieser Zeit arbeiteten rund 150 Leute in der Buttelstedter Straße. Für das Militär entstanden nun Güterwagen, aber auch Gespannwagen, Munitionswagen, Haubitzenräder und Feldküchen. Die Arbeitskräftezahl stieg über die Kriegsjahre. 1919 zählte man hier schließlich 600 Beschäftigte. In diesen Zeiten lag die Jahreskapazität bei 1800 Güter- und 200 Personenwagen. Dann kam die Weltwirtschaftskrise: Im zweiten Halbjahr 1931 musste das Weimarer Werk wegen Auftragsmangels stillgelegt werden.

Inzwischen waren in Thüringen die Nationalsozialisten an die Macht gekommen. Gauleiter Fritz Sauckel gehörte zu den besonders Ergebenen und Eifrigen. Das Weimar-Werk wurde unter Sauckels Fittichen erheblich ausgebaut und unter dem Namen Gustloff zu einem nationalsozialistischen Musterbetrieb getrimmt. Mancher nannte das Werk deshalb auch Fritz-Sauckel-Werk. Der 1934 begonnene Fahrzeugbau wurde weitergeführt – jetzt entstanden Heeresfahrzeuge. Gleichzeitig begann hier die Waffenfertigung, 5-cm-Granatwerfer machten den Anfang. In der neu errichteten Halle 1 kam dann die Produktion der Flakgeschütze hinzu. Die alte Waggonfabrik sollte sogar Teile für den als Wunderwaffe gepriesenen ersten düsengetriebenen Jagdflieger bauen. Das hatte am Ende tragische Auswirkungen für die Stadt selbst, die von den Alliierten immer mehr zur Zielscheibe ihrer Bomber auserkoren wurde. Als Rüstungskonzern fielen die Gustloff-Werke nach Ende des Weltkrieges unter das Demontagegesetz. Schon im September 1945 begann der Abbau der Werkzeugmaschinen-Anlagen, im November der der Waffenfabrik. Die komplette Ausräumung, ja sogar die geplante Sprengung konnten dann aber glücklicherweise abgewendet werden. Jetzt wurde im Auftrag der russischen Besatzer weiter produziert: Waggonreparaturen, bald auch Neues, nämlich Schmalspurgüterwagen. Alles Reparationsleistungen.

Im Juli 1946 wurden die ehemaligen Weimarer Gustloff-Werke schließlich zeitweilig Eigentum der UdSSR und als Waggonbau Weimar in die Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) für Transportmittelbau integriert. Um die 1000 Mitarbeiter zählte das Werk damals. Und wie in alten Zeiten entstanden wieder die unterschiedlichsten Waggons: Personen- und Güterwagen, Langholzwagen, Kühl-, Kessel- und Bitumenwagen und ein als Elektroenergie-Station ausgestatteter Waggon. Am 20. September 1950 war der 1000. Energie-Wagen fertiggestellt. Diese Waggons gingen komplett als Reparationsleistung in die UdSSR. Die Arbeitskräftezahl stieg immens – 1949 waren es bereits fast 3000, ein knappes halbes Jahr später 3500. Langsam verbesserten sich die Verhältnisse. Am 1. Mai 1952 wurde die Weimarer Waggonfabrik – zusammen mit 66 anderen Betrieben – aus der russischen Obhut entlassen und ins Volkseigentum überführt. Der neue Name lautete VEB Waggonbau Weimar. Doch beim Waggonbau sollte es nicht bleiben. Schon im März 1953 erhielt das Werk die Weisung, Krane zu bauen. Dementsprechend erfolgte eine Umbenennung zum VEB Kranbau Weimar. Im Mai war bereits der erste so genannte Diem-Kran (dieselmechanischer Schienenkran) fertig geworden. Doch auch dabei blieb es nicht. Die Mechanisierung der Landwirtschaft – eine Hauptaufgabe jener Zeit – verlangte nach Agrartechnik in völlig neuen Größenordnungen. Die Stunde der Mähdrescher brach an.Der erste Mähdrescher – noch aus der Versuchswerkstatt – wurde zum Ereignis – immerhin handelte es sich um den ersten in der DDR produzierten Mähdrescher. Im Juli 1955 wurde der 1000. fertiggestellte Mähdrescher gefeiert. Auch Krane liefen weiter vom Band. Dafür hatte man nun einen selbstfahrenden mobilen Lader entwickelt, der vor allem in der Landwirtschaft, aber auch in Baubetrieben sehr gefragt war. 1957 ging dieser universell einsetzbare Lader T 170 in Serie.

Ende der 50er Jahre gab Weimar die Mähdrescher-Produktion nach und nach an das Landmaschinenwerk im sächsischen Neustadt ab. 1962 verließ der letzte dieser Erntehelfer das Weimarer Werk – er hatte die Nummer 6573. Mit der Spezialisierung auf die Produktion von Maschinen für die Ernte von Hackfrüchten erhielt das Mähdrescherwerk zum 1. Januar 1964 nochmals einen neuen Namen: VEB Weimar-Werk. Ab 1964 hatte man erstmals ein komplettes Maschinensystem rund um den neuentwickelten Kartoffelsammelroder im Angebot. Auch die Lader blieben ein Hauptbestandteil der Weimarer Produktion.

1990 stutzte man das Unternehmen zurecht: Aus dem Weimar-Werk wurden mehrere GmbH ausgegründet. Auf der einstigen Fläche wuchs ein moderner Industriepark mit vielen Mitarbeitern in kleineren Betrieben. Der übrig gebliebene Bestand an Industriehallen dokumentiert anschaulich den Wandel der Industriearchitektur im 20. Jahrhundert. Produktionsbedingte Erneuerung der Anlagen und vor allem Kriegszerstörungen haben den älteren Bestand dezimiert und ständig verändert.

 

Das Gelände des ehemaligen Weimar-Werkes ist heute ein Industriepark im Norden Weimars oberhalb des Bahnhofs.
Es ist öffentlich zugänglich.


www.weimar-werk.de

 

 

Das Weimar-Werk war einst der größte Betrieb der Klassikerstadt.
Das Weimar-Werk war einst der größte Betrieb der Klassikerstadt.
KET Hallen
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Bagger
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